Repräsentation und Eignung
Unter der Überschrift „Repräsentation und Eignung“ beschäftigte sich der Arbeitsbereich A mit dem Zugang zum Polizeidienst. Die Zusammensetzung des neurekrutierten Personals ist das Ergebnis eines Selektionsprozesses. Dabei findet Selektion nicht nur aktiv durch die Auswahlverfahren statt, sondern auch dadurch, dass sich Angehörige bestimmter sozialer Gruppen stärker bzw. weniger stark für den Polizeiberuf interessieren und es dadurch zu einer Selbstselektion kommt. Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen geben Selektionsmechanismen beim Zugang zum Polizeidienst vor. Bei der Analyse dieses Selektionsprozesses wird das Spannungsverhältnis zwischen der anvisierten Diversität des rekrutierten Personals einerseits und der Ansprache sowie Auswahl geeigneter Bewerber:innen andererseits thematisiert. In drei Teilprojekten wurden die strategische Kommunikation der Polizeien von Bund und Ländern bei ihren Rekrutierungsmaßnahmen (Teilprojekt A1), die Auswahlverfahren und -kriterien für den Polizeidienst (Teilprojekt A2) sowie die Frage untersucht, inwiefern aus verfassungsrechtlicher Sicht „Eignung“ vor dem Hintergrund einer pluralen Gesellschaft repräsentativ auszulegen ist (Teilprojekt A3).
Teilprojekte
A1: Evaluation Nachwuchskampagnen
A2: Nachwuchssicherung und Personalpolitik
A1: Evaluation Nachwuchskampagnen
Ziele und Relevanz
Geht es um die Frage, wie die zukünftige Polizei personell aufgestellt sein wird, stehen die Rekrutierungsmaßnamen (chronologisch) am Anfang einer möglichen Antwort. Der angeworbene Nachwuchs beeinflusst die Polizei der Zukunft sowie die Möglichkeiten ihrer organisationskulturellen Entwicklung. Die Evaluation der Nachwuchswerbung liefert einen bundesweiten Rundumblick auf die strategische Konzeptionierung polizeilicher Nachwuchsgewinnung. Dabei wird sie durch regelmäßigen Austausch mit Verantwortlichen der Personalgewinnung auf Tagungen und Workshops gestützt, um einen möglichst reellen praktischen Bezug herzustellen.
Neben der Deskription und den wissenschaftlichen Analysen des Forschungsgegenstandes beabsichtigt diese Untersuchung den Behörden praktikable Hilfestellungen für die strategische Nachwuchswerbung zu geben. Denn die exekutive Handlungsfähigkeit kann durch zielgruppenspezifisch ausgerichtete Personalgewinnung nachhaltig wettbewerbsfähig gestärkt werden. Insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, der damit verbundenen Pensionierungswelle und der branchenübergreifenden Konkurrenzsituation um geeignete Nachwuchskräfte sollen Handlungsempfehlungen für die Polizeien herausgearbeitet werden.
Perspektiven und Bezüge
Bis auf einzelne Studien bezüglich der grundsätzlichen Bedeutung zielgruppenspezifischer Nachwuchsgewinnung oder der Rekrutierung über das Instrument der sozialen Medien besteht eine deutliche Forschungslücke, welche hiermit geschlossen werden soll. Zudem legt diese Untersuchung einen Fokus auf die pluralisierte Ausrichtung polizeilicher Nachwuchswerbung im Sinne der Gestaltung der Personalstruktur. Denn Artikel 33 Abs. 2 Grundgesetz regelt den gleichberechtigten Zugang aller Staatsbürger zu öffentlichen Ämtern. Zugleich wird darin jedoch das sogenannte Leistungsprinzip formuliert, dem auch die Polizeien verpflichtet sind. Entsprechend besteht die ständige öffentliche Debatte, inwiefern die Polizeien ein Spiegelbild der Gesellschaft abbilden können und sollen. Der Ursprung dieses Spannungsfeldes beginnt bereits in der Anwerbung des polizeilichen Personals. Sie legt den Grundstein dessen, wie die Polizei personell in der offenen Gesellschaft nachwächst und somit langfristig aufgestellt ist.
Methoden und Vorgehensweise
Dieses Teilprojekt gliederte sich in zwei Erhebungsblöcke. Der erste Block betrachtete mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse die Konzeptlage der Nachwuchswerbung aller Polizeien des Bundes und der Länder aus der Perspektive strategischer Kommunikation. Ergänzend dazu werden leitfadengestützte Experteninterviews mit den Verantwortlichen aller polizeilichen Nachwuchswerbe-Stellen durchgeführt. Somit wurde erhoben, inwiefern konzeptionell Nachwuchswerbung geplant wird. Bezüglich der strategischen Ausrichtung wurde ein besonderer Fokus auf die spezifische Zielgruppenansprache verschiedener Bewerber-Faktoren der Diversität gelegt (bspw. Geschlecht und Migrationshintergrund). In diesem Zusammenhang wurde auf Basis der hier bundesweit erzielten Datenlage auch die oben benannte Frage nach dem Spiegelbild der Gesellschaft diskutiert.
Um die zielgruppenspezifische Ansprache potenzieller Bewerber näher zu erforschen, wurde diese im zweiten Erhebungsblock mittels eines Eyetracking-Experiments untersucht. Dabei wurde betrachtet, inwiefern den Polizeien im stetigen Wandel des Generationenbegriffs und der geforderten polizeilichen Eignung authentische Zielgruppenansprachen und die damit verbundene authentische Vermittlung der Botschaften des Polizeiberufes im Zuge der Nachwuchsrekrutierung gelingen können.
Ergebnisse und Empfehlungen
Hinsichtlich des ersten Blocks ist zu konstatieren, dass die Polizeien strategischer arbeiten, als sie dokumentieren. Durch den Föderalismus und die Größenunterschiede der Polizeiorganisationen ergibt sich ein heterogenes Bild, welches ein weitreichend alltägliches »Learning-by-Doing« und somit wenig strategisches »Muddling-Through« vermuten lässt. Es zeigt sich, dass insbesondere die ressourcenstärkeren Polizeien nach Prinzipien der strategischen Kommunikation im Sinne eines längerfristigen Wissensmanagements und daraus resultierender Professionalisierung vorgehen. Die oftmals fehlende schriftliche Dokumentation, die damit ausbleibenden festen Formulierungen angestrebter und messbarer Ziele in Kombination mit den wechselnden Zuständigkeiten der Verantwortlichen birgt mittel- bis langfristig wachsende Herausforderungen für eine bundesweit nachhaltige Personalgewinnung. Die Ergebnisse zeigen weiter, dass Diversität in der Nachwuchswerbung bei allen Polizeien gedacht wird. Insbesondere weibliche Bewerberinnen sowie Bewerber:innen mit Migrationshintergrund werden als Zielgruppen der Nachwuchswerbung benannt. Es erweist sich jedoch teils als Hürde bestehende PVB:innen mit Migrationshintergrund als Testimonials zu gewinnen, da diese oftmals nicht auf ihren Migrationshintergrund „reduziert“ werden möchten. Zur bundesweiten Diskussion steht, inwiefern das aktive Denken von Diversität angebracht ist und ob die Konzentration auf den Diversitätsgedanken den Leistungsgedanken der potenziellen Neueinstellungen schmälern könne, welcher laut den Expert:innen vordergründig sein sollte. Die Kombination der Heterogenität in der Professionalisierung der strategischen Kommunikation mit der Heterogenität der Bevölkerung hinsichtlich gegebener Diversität führt zu einem gleichermaßen heterogenen Umgang der Polizeien mit dem Aspekt der Diversität in der Nachwuchswerbung. Dabei ist festzuhalten, dass den Verantwortlichen die defizitären und oft ressourcenbegründeten Umstände bewusst sind und bundesweit reges Interesse an organisationsübergreifendem Austausch besteht.
Hier finden Sie die Publikationsliste A1 und das Ergebnisposter der Abschlusskonferenz.
Verantwortliche Mitarbeiterin: Maike Kreyenborg
A2: Nachwuchssicherung und Personalpolitik
Ziele und Relevanz
Das Teilprojekt widmete sich dem Umgang mit Diversität in der polizeilichen Personalauswahl und untersuchte das Chancenverhältnis unterschiedlicher sozialer Gruppen beim Eintritt in den Polizeidienst.
Zwar gibt es mittlerweile vielerorts gezielte Anwerbestrategien seitens der Polizeien für Menschen mit Migrationshintergrund, doch nicht alle Bundesländer weisen in ihren statistischen Angaben den Anteil an neueingestellten Polizist:innen aus. Beamtenrechtlich ist der Migrationshintergrund weiterhin nicht relevant. In der politischen Öffentlichkeit jedoch wird die Diversität der Polizei anhand der Anteile von Menschen mit Migrationshintergrund bewertet. Das Teilprojekt zeichnete die zunehmende Interkulturelle Öffnung der Polizeien mittels Trendanalysen und einzelner Chancenvergleiche nach. Es werden die Vor- und Nachteile eines sogenannten Ethnic Monitoring für die polizeilichen Auswahlverfahren abgewogen. Darüber hinaus wurden die Bedeutung, sowie die Vor- und Nachteile diverser Teams für die Polizeiarbeit eruiert.
Perspektiven und Bezüge
Spätestens seit den Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses, in denen unterstrichen wird, dass der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund im Polizeidienst erhöht werden sollte, ist die Diversifizierung des polizeilichen Personals ein erklärtes politisches Ziel. Einige Landesregierungen haben die Empfehlung als Ziel in ihre Koalitionsverträge aufgenommen.
Das Teilprojekt untersucht die Realität dieser Interkulturellen Öffnung der Polizei. Dabei geht es einerseits um den Selektionsprozess der Auswahlverfahren für den Polizeidienst und die Frage, ob Menschen mit Migrationshintergrund mit gleicher Wahrscheinlichkeit in die Polizei gelangen als jene ohne Migrationshintergrund. Und es geht zweitens um die Herausforderungen und Chancen von herkunftsdiversen Teams für die Polizeiarbeit. Das Verhältnis der Polizei zu Diversität in den eigenen Reihen wird aus organisationssoziologischer, konventions- und demokratietheoretischer Perspektive analysiert. Darüber hinaus erlauben die empirischen Befunde einen Beitrag zur theoretisch-konzeptionellen Debatte um repräsentative Bürokratie und die Frage ob und auf welche Weise eine repräsentative Personalpolitik der Polizeien als Legitimationsleistung gegenüber der eigenen Bevölkerung gedeutet werden kann.
Methoden und Vorgehensweise
Das Teilprojekt untersuchte den Selektionsprozess beim Eintritt in die Polizei anhand von Trendanalysen (auf Aggregatdatenebene) und einzelnen Chancenvergleichen (auf Individualdatenebene). Für die statistischen Aussagen wurde die Erfassungsmethodik der einzelnen Behörden berücksichtigt und ihr Umgang mit der Variable „Migrationshintergrund“ dokumentiert. Zusätzlich wurden teil-standardisierte Interviews mit Verantwortlichen der polizeilichen Personalauswahl und teilnehmende Beobachtungen in ausgewählten Behörden durchgeführt. Gemäß den Auskünften der Behörden wurde nachgezeichnet, wie sich der Auswahlprozess seit 1990 verändert hat, wie die Verfahren ausgestaltet und die Anforderungsprofile definiert werden. Dazu wurde der der Selektion zugrundeliegende Bewertungsprozess nachvollzogen, und zwar mit Blick auf die Frage, wie die Passung zum Polizeiberuf durch das Verfahren projiziert und abgeprüft wurde. Eine Annäherung an die Funktionalität und Schwierigkeiten diverserer Teams für die Polizeiarbeit wurde durch unterschiedliche qualitative Methoden, wie beispielsweise Interviews, Fokusgruppen, teilnehmende Beobachtungen und Fallanalysen erreicht.
Ergebnisse und Empfehlungen
Als Gruppenspezifische Hürden für Bewerber:innen mit Migrationshintergrund beim Zugang zum Polizeidienst konnten Testelemente identifiziert werden, die bereits eine hohe Vertrautheit mit dem Polizeiberuf voraussetzen. Auch selektieren sprachlastige Testelemente Bewerber:innen mit Migrationshintergrund signifikant stärker, und zwar trotz eines deutschen Bildungswegs. Die hohe Standardisierung des Auswahlverfahrens wirkt sich unterschiedlich aus: In den Personalauswahlgesprächen mildert sie vorurteilsgeleitete persönliche Bewertungen ab und verhindert dadurch Benachteiligungen. Gleichzeitig verdeckt sie in den computergestützten Testteilen, wenn Testelemente systematisch zu Lasten bestimmter Gruppen selektieren.
Für die Werbe- und Einstellungsstellen der Polizeihochschulen empfiehlt es sich deshalb, das Qualitätskriterium Testfairness regelmäßig zu überprüfen. So kann zum einen sichergestellt werden, dass Bewerbergruppen, die zuvor aufwendig angeworben wurden, nicht durch berufsirrelevante und nicht-intendierte Effekte wieder herausselektiert werden. Zum anderen setzen faire Testverfahren die Norm des „gleichen Zugangs“ aus Art. 33 (2) GG nicht nur im Sinne von Verfahrensgleichheit, sondern auch im Sinne von Chancengleichheit um. Als organisationskulturelle Hürde ist an dieser Stelle zu ergänzen, dass eine Orientierung an Chancengleichheit in den Behörden teilweise als Relativierung des Leistungsprinzips wahrgenommen wird.
Im Arbeitsbereich A2 werden weiter Forschungsdaten ausgewertet und publiziert.
Hier finden Sie die Publikationsliste A2 und das Ergebnisposter der Abschlusskonferenz.
Verantwortliche Mitarbeiterin: Sabrina Ellebrecht
A3: Zugang zum Polizeidienst
Ziele und Relevanz
Menschen mit Migrationshintergrund sind in den meisten Länderpolizeien deutlich unterrepräsentiert. Das ist nicht nur, aber auch rechtlich problematisch, legen diese Zahlen ungleiche Zugangsmöglichkeiten doch zumindest nahe. Und auch, dass ein weitgehend homogener Polizeikörper in einer heterogenen Gesellschaft nicht bestmöglich funktionsfähig ist, erscheint nicht ausgeschlossen.
Die juristische Studie überprüfte parallel zu den Untersuchungen zur Nachwuchsgewinnung (A1) und zu den Auswahlverfahren (A2) den Zugang zum Polizeidienst aus verfassungs- und beamtenrechtlicher Perspektive. Dafür wurde herausgearbeitet, was die Verfassung bezüglich des Zugangs zum öffentlichen Dienst garantiert. Es wurde außerdem rekonstruiert wie der Zugang einfachgesetzlich, also insbesondere im Beamtenrecht, und tatsächlich, also durch die Verwaltungspraxis, ausgestaltet ist, um analysieren zu können, inwieweit die einfachgesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltungen diesen Gewährleistungen gerecht werden. Zudem sollte ergründet werden, inwieweit das Grundgesetz Anknüpfungspunkte und Raum für repräsentative Konzepte bietet.
Perspektiven und Bezüge
Die verfassungsrechtliche Grundlage für den Zugang zum öffentlichen Amt und das Berufsbeamtentum insgesamt findet sich in Artikel 33 Abs. 2 Grundgesetz. Diese Norm verbürgt einerseits auf einer individualrechtlichen Ebene, dass grundsätzlich alle Bürger:innen gleiche Zugangschancen bei gleicher Eignung haben. Das bedeutet, dass Prozesse und Regularien, die Personen mit Migrationshintergrund strukturell davon abhielten, sich erfolgreich zu bewerben oder ihre Ausbildung abzuschließen, verfassungswidrig sein können. Neben dieser gleichheitsrechtlichen Dimension hat Artikel 33 Abs. 2 Grundgesetz eine zweite Dimension. Diese ist auf die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung ausgerichtet. Auf dieser strukturellen, teilweise auch objektiv-rechtlich genannten Ebene könnte die Unterrepräsentation von Menschen mit Migrationshintergrund das verfassungsrechtliche Gebot der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung unterminieren, das von der Polizei verlangt, auch in einer pluralisierten Gesellschaft in allen Situationen angemessen handeln zu können.
Welche Art von Bindungswirkung Artikel 33 Abs. 2 Grundgesetz auf die Gesetzgebung und die Verwaltung hat, ist dabei unklar. Denn ähnlich wie etwa das Eigentumsrecht oder das Institut der Ehe, ist das Berufsbeamtentum und auch der Zugang zu ihm auf weitere Ausgestaltung und Konkretisierung durch die Gesetzgebung und manchmal auch die Verwaltung angewiesen. Die Staatsgewalt ist damit an eine Verfassungsnorm gebunden, die sie selbst ausgestalten muss.
Methoden und Vorgehensweise
Die Arbeit basierte auf einer rechtstheoretischen und -dogmatischen Analyse; sie bezog aber auch Erkenntnisse soziologischer Forschung, sowie der Demokratie- und Rechtstheorie mit ein. Dabei wurden verschiedene, eng verbundene Problematiken erörtert: Einerseits wurde eine Antwort auf die Fragen nach Gewährleistungsgehalt und Bindungswirkung des Artikel 33 Grundgesetz geleistet. Damit sollte auch beantwortet werden, in welchem Verhältnis die verschiedenen Normebenen zueinanderstehen. Andererseits wurde die aktuelle Rechtslage und Ausgestaltung des Zugangs zum Polizeidienst rekonstruiert. Dafür wurden insbesondere der Begriff der Eignung zum Dienst und die Kriterien, die zu seiner Überprüfung aufgestellt werden, von Bedeutung. Im dritten Schritt wurde die rechtliche und tatsächliche Ausgestaltung an den zuvor ausgemachten Gewährleistungsgehalten des Artikel 33 Abs. 2 Grundgesetz, sowie anderen relevanten Verfassungsprinzipien gemessen um zuletzt Möglichkeiten zu entwickeln das Kriterium der Eignung im Hinblick auf die pluralistische Zusammensetzung der Gesellschaft weiterzuentwickeln.
Ergebnisse und Empfehlungen
Die Homogenität der Polizei und die damit einhergehende Unterrepräsentation von marginalisierten Gruppen werden im gesellschaftlichen und politischen Diskurs maßgeblich an drei Achsen problematisiert: Zum einen ist die Unterrepräsentation ein Hinweis auf ungleiche Zugangschance, also auf ein Gleichheitsproblem. Zum anderen wird eine homogene Polizei in heterogenen Gesellschaften als weniger responsiv und damit weniger funktionsfähig problematisiert. Aus diesen beiden Problemlagen ergibt sich die Dritte: legitimatorische Defizite, die dann ihrerseits als Demokratieproblem adressiert werden. Ausgehend von der Frage, wie sich die Personalpolitik der Polizei diverser oder eben repräsentativer gestalten lässt, wurde in A 3 in einem Dreischritt der verfassungsrechtliche Rahmen, der Status Quo der Auswahlverfahren und die Modifikationsmöglichkeiten untersucht. Die zentrale verfassungsrechtliche Norm, die den Zugang zum Polizeidienst regelt ist der Artikel 33 Abs. 2 GG. Er hat zwei Gewährleistungsinhalte: Das Recht auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern, das aus dem Republikprinzip folgt und das Gebot der Bestenauslese, das die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung absichert. Der Zugang zum Amt darf nur verwehrt werden, wenn das Gebot der Bestenauslese das fordert. Das heißt, ein:e Bewerber:in darf nur dann abgelehnt werden, wenn sie nicht oder weniger geeignet ist als andere. Das macht wiederum den Eignungsbegriff zum entscheidenden Ausgestaltungspunkt des Zugangs zum Polizeidienst. Je nachdem wie dieser definiert ist, wird ein:e Bewerber:in zum Dienst zugelassen oder nicht. Die Verfassung verlangt, dass bei der Ausgestaltung des Eignungsbegriff, nur solche Eignungskriterien herangezogen werden, die sich ihrerseits aus den Anforderungen des Amtes ableiten lassen. Der derzeitige Status Quo der Eignungsdefinition ist einigermaßen unübersichtlich, sowohl was die konkreten Anforderungsmerkmale angeht – die Eignungskriterien haben unterschiedliche Quellen: Bundesgesetze, Verordnungen, Satzungen, Richtlinien – als auch was ihre Entstehung angeht. Diese Unübersichtlichkeit ist vor allem vor dem Hintergrund demokratietheoretischer und rechtsstaatlicher Erwägungen nicht unproblematisch.In Hinblick auf mögliche Modifikationsmöglichkeit ist zu konstatieren, dass sowohl unter Jurist:innen als auch unter den Personalverantwortlichen der Polizei, Bestenauslese und Gleichheitsrechte, bzw. Anti-Diskriminierung häufig als gegenläufige Prinzipien verstanden werden. Diese Spannungslage besteht jedoch nicht absolut. Setzt man Responsivität als Funktionsvoraussetzung, ist es möglich Repräsentativität in Anforderungsprofile aufzunehmen. Beispielsweise wäre es denkbar, Diversitätspunkte an Bewerber:innen zu vergeben, die zu marginalisierten Gruppen gehören. Auch klassische Fördermaßnahmen zugunsten von Bewerber:innen aus marginalisierten Gruppen – Mentoring-, Buddy- und Hospitationsprogramme, Bewerbungstrainings oder auch Ansprechpartner:innen – sind verfassungsrechtlich zulässig. Vor allem verstoßen sie, als Fördermaßnahmen zugunsten strukturell diskriminierter Gruppen nicht gegen Artikel 3 Abs.3 GG.
Eignungskriterien sind kontingent und können durch demokratische Verfahren im Rahmen des Grundgesetzes auch durch Diversitätskriterien ergänzt, definiert werden. Zentral ist dabei, dass die Festlegung der Kriterien demokratisch legitim und transparent erfolgt.
Hier finden Sie die Publikationsliste A3 und das Ergebnisposter der Abschlusskonferenz.
Verantwortliche Mitarbeiterin: Laura Wisser